News/Presse Der Mann, der die Neuen betreut

21. 08. 2016

Seit 16 Jahren versorgt Aslan Kurtaran mit seiner Agentur sogenannte Expatriates. Personen also, die Wien seit Jahren zur Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität wählen.

Wer kennt sie nicht, die jährliche Studie des Beratungsunternehmens Mercer, in der Wien heuer zum achten Mal in Folge zur Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität gewählt wurde? Vor Metropolen wie Zürich, Auckland, München und Vancouver. Berücksichtigt werden dabei politische, soziale, wirtschaftliche und umweltorientierte Kriterien. Hinzu kommen Faktoren wie persönliche Sicherheit, Gesundheit, Bildungs- und Verkehrsangebote sowie andere öffentliche Dienstleistungen. Die Ergebnisse basieren aber nicht auf den Erfahrungen der „gewöhnlichen“ Bevölkerung, sondern bieten einen Vergleich der Lebensumstände von Expatriates in insgesamt 230 Großstädten. Personen also, die von ihren Unternehmen, Organisationen und Ländern für eine bestimmte Zeit nach Wien entsandt werden. Darunter etwa Mitarbeiter von Botschaften bzw. Konsulaten, der UNO, OSZE, Opec sowie Führungskräfte internationaler Konzerne aus allen möglichen Ländern, die verschiedensten Berufen nachgehen.

Den typischen, repräsentativen Expat gibt es nicht. Erster Ansprechpartner für viele von ihnen ist Aslan Kurtaran. Seit mittlerweile 16 Jahren betreut er mit seiner Wiener Agentur Expat Consulting Expatriates in allen Lebenslagen. Dabei reicht seine Tätigkeit von der Wohnungssuche und alltäglichen Behördengängen über Hilfe bei der Auswahl von Kindergärten sowie Schulen bis hin zur Organisation von Handwerkern, Sprach- und Fortbildungskursen. „Wir melden unsere Kunden sogar im Fitnesscenter an oder gehen mit ihnen Möbel kaufen, wenn es verlangt wird“, sagt Kurtaran. „Wir versuchen sie in absolut jeder Hinsicht zu unterstützen und sind ständig erreichbar. Schließlich sind sie neu in der Stadt und haben keinerlei Anknüpfungspunkte.“ Einmal habe er sogar einen Kunden, der erst wenige Tage in Wien war, um drei Uhr in der Früh ins Krankenhaus begleitet, weil er einen starken Migräneanfall hatte. Dass Expats Wien regelmäßig eine hohe Lebensqualität bescheinigen, überrascht ihn nicht im Geringsten. Die wichtigsten Kriterien für Manager, Diplomaten und Führungskräfte bei der Auswahl ihres Arbeitsortes seien die zentrale Lage Wiens in Europa, der sehr gut angebundene Flughafen, die Sicherheit, das kulturelle Angebot und vor allem die vielen internationalen Schulen. „Die Schulen sind oft sogar der entscheidende Faktor“, betont Kurtaran. „Ein pensionierter Microsoft- Manager hat sich vor ein paar Jahren vor allem wegen der American International School dafür entschieden, seinen Lebensabend mit seiner Familie in Wien zu verbringen.“ Studium in den USA. Mit Auslandsaufenthalten hat auch Kurtaran selbst Erfahrung. Nach der Matura geht er in die USA, um an der University of California in Santa Cruz Business Administration zu studieren. „Zum einen, um mein Englisch zu perfektionieren, zum anderen aber auch, weil ich auf der Suche nach einem Abenteuer war“, blickt der 42-Jährige zurück. Nach Abschluss des Studiums und dem anschließenden Master kehrt er zurück nach Wien und arbeitet als Financial Officer für eine internationale Non-Profit-Organisation, bereist Krisengebiete auf der ganzen Welt. Im Anschluss folgt eine Anstellung als Finanzanalytiker beim US-amerikanischen Soft- und Hardwarehersteller Oracle. „Bereits in diesen Jahren hatte ich viel mit Expats zu tun, half ihnen in meiner Freizeit beim Ausfüllen von Formularen oder Überprüfen von Verträgen“, erzählt der Wiener. „Und da mich mein damaliger Job nicht wirklich erfüllt hat und ich seit jeher den Traum hatte, mich irgendwann selbstständig zu machen, gründete ich 2001 meine Agentur, um mich fortan hauptberuflich um Expats zu kümmern.“ Da es sogenannte Relocation-Agenturen damals noch gar nicht gab, musste das Gewerbe zusammen mit der Wirtschaftskammer erst ins Leben gerufen werden. Das erste Jahr sei noch zäh gewesen, „da musste ich sogar von zu Hause aus arbeiten“, erinnert er sich. Im zweiten Jahr ging sich schon ein kleines Büro im 19. Bezirk aus, heute empfängt er seine Kunden in seinem Büro in der Innenstadt am Graben – mit Blick auf den Stephansplatz. Über mangelnde Kundenanfragen kann er sich nicht beklagen. „Wien ist nun einmal die Stadt der Expats“, sagt er. „Und wir verfügen über ein großes Netzwerk.“ Durchschnittlich leben Expats zwischen zwei und sieben Jahren in Wien. Ein beträchtlicher Teil beschließt aber, für immer zu bleiben und eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen. Was für Kurtaran auch der Grund dafür war, 2007 die Konzession zum Immobilienmakler zu erlangen, um Liegenschaften im hochpreisigen Segment zu vermitteln, und sich auch als Projektentwickler zu betätigen – was er als „späte Leidenschaft“ bezeichnet.

Denn das Vermitteln von Wohnungen habe ursprünglich nicht zu seinen Hauptaufgaben gehört. Weil sich aber nach und nach immer mehr Grundstücks- und Wohnungseigentürmer bei ihm meldeten und diese zum Verkauf anboten, habe er sich entschieden, sich auch in diesem Bereich zu etablieren.

„Abrisshäuser in guten Lagen zu sanieren oder ganz neu zu errichten, macht einen immer größeren Teil unserer Arbeit aus“, sagt Kurtaran. „Dabei entstehen nicht nur neue Wohnungen für betuchte Expats, unser Ziel ist es vielmehr, leistbaren Wohnraum für den Durchschnittsbürger zu schaffen.“ Derzeit entstehen unter seiner Leitung beispielsweise 20 neue Wohnungen zwischen 45 und 90 m2 in Floridsdorf. „Das Thema Wohnen beschäftigt die Menschen wie kaum ein anderes“, sagt er. „Hier meine Erfahrung zu nutzen und meinen Beitrag zu leisten, wird die nächste große Herausforderung meiner Agentur sein.“

Die Presse, 21.08.2016